…so oder so ähnlich könnte man wohl das nennen, was ich während meiner Arbeit vermittelt bekomme. Neben der ’normalen‘ Arbeit im Büro, die sich seit meines ersten Tages hier um die Gestaltung eines Flyers auf Englisch und Deutsch dreht – bei der ich heute nach 9 Tagen der überarbeitung fast durchgedreht wäre -, werde ich manchmal ganz spontan zu einer Runde Bogenschiessen oder Feuermachen nach draussen gerufen, oder wenn irgendwelche Tiere das Museum besuchen. Beim Bogenschiessen stellte ich mich mit einer Quote von zwei von drei Treffern gar nicht so schlecht an. Demnächst werde ich mich wohl um das Essen für uns im Internat kümmern.
Apropos Tiere: In meinem ersten Beitrag hier aus Französisch-Guyana berichtete ich ja bereits davon, dass meine Chefin mich darauf hinwies, hier öfter Frösche auf dem stillen Örtchen antreffen zu können. Jup, einen dieser Jungs habe ich nun tatsächlich persönlich kennengelernt. Gaaanz normal.Da das Leben auch hier aber nicht nur aus Arbeit besteht, hier ein paar Neuigkeiten über das Leben der ’sieben Deutschen‘ in Französisch-Guyana: irgendwie passiert jeden Tag etwas unererwartetes. Nachdem die vielen Eindrücke und Erlebnisse vor Ort ein paar aus unserer Gruppe über den Kopf wuchsen, hat es einen Survivor nun gesundheitlich angeschlagen. Gerade jetzt geniessen wir deshalb umso mehr die kurze Zeit unseres Feierabends zusammen am Strand, bei dem Geräusch der aufbrechenden Wellen und des leichten Windes im Ohr. Meistens folgt darauf eine kurze Dusche im Internat, bis wir uns zum Warmmachen des Essens wiedersehen. Warmmachen des Essens? Ja, denn wir haben im Internat nur eine Mikrowelle zur Verfügung, daher folgt jeden Tag die schwere Entscheidung: Reis oder Dosen-Ravioli? Oder doch lieber Reis?Am Sonntag waren wir dann noch zusammen mit unseren Lehrern im Zoo von Kourou, der uns empfohlen wurde. Unser Highlight waren allerdings die dort umher-irrenden Äffchen, die tatsächlich in der freien Wildbahn leben und dem Zoo einen kleinen Besuch abgestattet haben (siehe Foto).Seit Anfang dieser Woche darf ich nun meinen Arbeitsweg und die täglichen Routen zum Strand oder den Restaurants zusammen mit den anderen im Mietwagen zurücklegen. Anfangs hatte ich tatsächlich ein wenig Respekt vor dem Fahrstil der Guyaner hier, doch ich habe schnell gemerkt, dass gar nicht die Autofahrer das Problem auf der Stasse sind, sondern eher einheimische Fahrradfahrer, die auch mal gerne in Schlangenlinien fahren und daraufhin von der Gendarmerie angefahren werden. (Hier passt unser Stichwort: just local things).Ein anderes lokales Phänomen hier ist, dass die Einheimischen immer wieder Vorschriften mit der Begründung umgehen, dass wir ja hier in Französsich-Guyana sind und es hier niemanden interessieren würde. So war es auch am Mittwoch während meiner Arbeit, als ich Fotos von einer Besuchergruppe aus Frankreich gemacht habe, die man eigentlich nicht verwenden dürfte, weil die Jugendlichen Pfeil und Bogen in der Hand hielten und dafür ein Zertifikat nötig wäre. Naja, im Endeffekt haben wir sie doch benutzt, ihr könnt euch ja denken warum. In Deutschland hätte schon längst ganz laut jemand „Datenschutzgrundverordnung!“ geschrien.Gestern haben wir dann das gute alte Bergfest gefeiert. Die Hälfte der Zeit haben wir schon überl… geschafft. Ab heute sind es noch genau acht Tage. Acht Tage bis wir voller stolz ein grosses Häkchen hinter das Abenteuer Französisch-Guyana setzen und das Leben im gewohnten Deutschland fortführen können.Zum Schluss wie immer noch ein paar Fotos aus unserer Woche.Bis zum nächsten, hoffentlich spannenden Bericht (vielleicht ja wirklich aus dem Amazonas),Kerstin.
Archiv für den Tag: 18. Oktober 2019
Ankunft und Arbeit im Europa Südamerikas
Bereits der Anflug auf den Flughafen von Cayenne verrät: hier ist alles anders. Zu diesem Zeitpunkt noch fast ausschließlich im positiven Sinne. Der Ausblick auf den Fluss Kourou ist wunderschön und die Strapazen des Vortags, der kurze touristische Abend in Paris, sowie der gefühlt ewige Flug auf dem Luciana und Ich jede angebrochene volle Stunde euphorisch feierten, sind fast vergessen. Lediglich das späte Einsetzen der Landebahn gibt zu diesem Zeitpunkt einen Vorgeschmack auf das, was vor uns liegt.
Nach 1,5 sd. Fahrt, auf der die neue Szenerie uns einfängt erreichen wir also unsere Unterkunft für die nächsten Wochen und uns ist gleich klar: Das wird kein Zuckerschlecken. Dass das Internatsleben nichts für mich ist war im vorhinein schon klar, dass Schuldirektor und einer von zwei anwesenden Mitarbeitern nicht gerade super freundlich sind ist ersichtlich. Außerdem macht uns die Warnung, das Gelände nicht mehr nach 9 Uhr zu verlassen etwas stutzig. Das Internat mit seinen Laubengängen erinnert vom Aufbau direkt an einen Knast (dass die Jugendlichen hier nicht einmal eigene Zimmerschlüssel haben wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht). Naja, es ist Sonntagabend und wir waren den ganzen Tag unterwegs, also die einzige richtige Entscheidung (oder?) getroffen und erstmal Pizza essen gegangen. Auf dem Rückweg wird unsere Gruppe mit 6 weiblichen Mitgliedern dann von vielen „Ouhlalas“ und Kussgeräuschen, der nachts mit Bier auf Bänken am Straßenrand herumlungernden Männerwelt, begleitet und die Warnung vom frühen Abend, sich nicht nach 9 Uhr raus zu wagen macht erstaunlich viel Sinn. Die Gegend ist wohl nicht die Beste.
Den starken Kontrast zwischen den Bevölkerungsgruppen spiegelt der erste Arbeitstag wunderbar wieder. Denn mein Praktikum bei der ESA könnte nicht besser sein. Ich werde von allen sehr freundlich empfangen, es wird sich darauf geeinigt zunächst Englisch mit mir zu sprechen und meine Aufgaben für die nächsten Wochen kriege ich nach Ihrer Ankunft direkt von der der ESA Chefin des Weltraumbahnhofs Kourou, Charlotte Beskow, erklärt. Ich darf eine Präsentation zum Thema „40 Jahre Ariane Programm“ anfertigen. Frau Beskow meint zu Recht: nachdem die 50 Jahre Mondlandung überall erwähnt wurden sollte auch das Europäische Raumfahrtprojekt gebührend gefeiert werden und auf meiner Präsentation soll dafür aufgebaut werden. Ich fühle mich von Anfang an sehr gut aufgehoben und zu meiner Freude und Überraschung auch sehr ernst genommen. Es wird sich Input von mir gewünscht und ich werde nicht wie ein Praktikant behandelt, auch wenn das auf meinem Sicherheitsausweis steht. Außerdem kümmert sich Charlotte auch neben der Arbeit um das wohlergehen der ganzen Gruppe und gibt mir Ausdrucke von Karten der Stadt mit Empfehlungen, Tipps und Warnungen mit. Sie betont auch noch einmal, wie sehr wir in unserer Gegend aufpassen sollten und Sie sollte Recht behalten. Aber zunächst weiter mit den erfreulichen Dingen, denn am zweiten Tag fährt mich Charlotte vom außerhalb der Stadt gelegenen Spaceport zurück zum Internat. Sie will die ganze Gruppe kennenlernen und so warten wir, direkt um die Ecke von unserer Schule, beim Stadtbekannten und einzigen Bäcker Kourous, Félix, bei einer Tasse Kaffee auf die anderen. Da man sich in der Kleinstadt halt kennt, werden wir von Félix noch auf riesige Eisbecher eingeladen und währenddessen von Charlotte zur Guyane Fashion Week eingeladen. (Beitrag folgt).
Bei der European Space Agency verbringe ich die erste Woche in der Kommunikationsabteilung. Neben meinem Projekt darf ich kleinere Aufgaben wie das Zusammenschneiden einzelner Monthly reports zu einem quarterly report oder das Erstellen eines Newsletters für die zentrale in Paris übernehmen. Außerdem pflege ich die Entnahmen von Goodies (von denen ich eine pralle Tüte erhalten habe) in Excel Tabellen ein. Die Arbeit macht Spaß und die Kollegen sind super gentil. Mein Französisch verbessert sich in der ersten Woche nicht, dafür lerne ich auf Englisch zu arbeiten und den Umgang mit den Franzosen an sich. Die Büroarbeit unterscheidet sich in keinster Weise von der in Deutschlanf, lediglich die Sprache ist eine andere und das Tastaturlayout nervt. Solange ich im Spaceport arbeite sieht die Welt ganz anders aus als an den Abenden.
Es wird uns immer klarer, dass uns niemand so recht im Internat haben möchte. Die Jugendlichen grüßen kaum zurück und sind sehr distanziert. Die Betreuer ignorieren uns so gut wie möglich und von den Offiziellen kriegen wir generell keinen zu Gesicht. Lediglich Damian, ein Kollege der für GRETA im Lycée arbeitenden Isabelle und Luciana kümmert sich wunderbar und ist ein Hoffnungsschimmer. Aber leider auch nur 2 Tage die Woche vor Ort. Die uns versprochene Küche besteht aus einer Mikrowelle. Den Schlüssel zum Aufenthaltsraum erhalten wir am dritten Tag. Außerdem hören wir, dass vor dem Tor des Internats vor 2 Wochen ein Mädchen mit einem Messer verletzt wurde. Am Mittwoch gibt es also schon die erste richtige Krisensitzung. Sicher fühlen wir uns nicht vor Ort. Die Konstellation der Gruppe trägt auch dazu bei und dass wir in der letzten Woche dank Schulferien ganz alleine auf dem Gelände sein werden beruhigt auch nicht gerade.
Sicherheitsbedenken äußere ich dann auch auf der Arbeit. Der Satz: „It’s Kourou, not Chicago!“ und die generelle Beschwichtigung durch die sehr netten Kollegen helfen zumindest meinem persönlichen Sicherheitsempfinden erheblich. Es geht hier nicht um Gewaltverbrechen, sondern um Raub. Das Interesse gilt den Wertsachen und nicht uns.
So geht die erste Woche wie im Flug rum. Ich möchte noch erwähnen, dass unsere Lehrer Frau Stieldorf und Herr Denis sich unglaublich viel Mühe gegeben haben uns mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, für uns den Chauffeur spielten und hochkochende Gemüter zu beschwichtigen versuchten. Merci beaucoup!